Um den Rammstein-Skandal treiben die Diskussionen immer wildere Blüten. Seit einigen Jahren kennt man den Begriff „alte weiße Männer“. Das ist ein Begriff für Männer, denen dadurch Rassismus oder Sexismus vorgeworfen wird. Und so ein Beispiel hatten wir vergangene Woche im Fernsehen.
Thomas Stein, früherer Musikmanager und manchen vielleicht aus den ersten Staffeln von Deutschland sucht den Superstar bekannt, zog den Vergleich, dass es ja vlt. um 100 Frauen geht, die bei Rammstein-Konzerten belästigt, missbraucht oder sonst was geworden sind, dass es 300000 Menschen jedoch gut ging. Das zeigt die ganze Perfidität, mit der manche Männer – und ich fürchte, dass es eine ganze Menge Männer sind – an die Thematik herangehen. Und wenn es nur eine Frau wäre, dann ist es eine zu viel.
Diese Denkweise von Männern in ihren 70ern geht einfach nicht. Inzwischen hat er zurückgerudert, doch offenbart diese Aussage, da mag er noch so oft auf die Live-Situation verweisen, eine bestimmte Denkstruktur. Natürlich führt auch er den Umstand der Vorverurteilung an. Es mutet inzwischen fast wie eine Ausrede an. Das ist das Problem von Beschuldigungen von öffentlichen Personen. Auch hier müssen wir uns Gedanken machen, wie auch öffentliche Personen geschützt werden können. Denn die Medienmaschinerie ist vielfältig, umfangreich und entwickelt rasch eine tsunamiartige Aufmerksamkeit. Nicht umsonst heißt es: irgendwas bleibt immer hängen. Die andere Seite: diese Unschuldsvermutung gilt in beide Richtungen. Zur Zeit läuft es so, dass man einem einzelnen Mann glaubt, mehreren Frauen jedoch nicht. Der eine hat viele Fürsprecher, die anderen werden in deine Ecke gestellt. Schon das ist als Phänomen interessant.
Umso wichtiger ist es, dass wir eine Atmosphäre schaffen, in der Täter es möglichst schwer haben und das Wort von Opfern Gewicht hat. Es beginnt jedoch dabei, dass Opfer überhaupt ein Wort haben, dass Gewicht haben kann. Dafür ist eine Atmosphäre der Mitmenschlichkeit und des gegenseitigen Respekts wichtig. Menschen müssen von klein auf lernen, dass sie nein sagen dürfen, dass ein Nein zu respektieren ist, und falls ein Nein übergangen wird, dass man laut werden muss und darf, ohne sich schämen zu müssen. Menschen müssen vom klein auf lernen, dass niemand jemand anderen bedrängen darf und ihn dann auf ein Geheimnis verpflichten darf. Das beginnt wie ich letzte Woche schon sagte gleich nach der Geburt.
In der gleichen Talkshow, in der Thomas Stein seine unsäglichen Aussagen getätigt hat, hat Rita Süßmuth, die ehemalige Präsidentin des deutschen Bundestages, den Fokus in die richtige Richtung gelenkt. Sie meinte, dass es nicht um die Geschlchterfrage gehen kann in dieser Problematik. „Wir müssen mit Wertschätzung für jeden Menschen aus dieser Situation herauskommen. Das geht nur gemeinsam.“ Und so ist es tatsächlich. Es geht um den Umgang, den wir miteinander pflegen. Die Bibel ist voll von Beispielen, wie ein guter zwischenmenschlicher Umgang funktioniert. Der muss entkoppelt werden von der Frage, ob jemand Mann oder Frau, trans oder schwul, lesbisch oder nicht-binär oder sonst was ist. Das spielt keine Rolle. Wir sind alle Menschen und haben das Recht auch als Menschen behandelt zu werden. Da verstehen sich Christen auch mit religionskritischen Philosophen. Immanuel Kant macht das zu seinem Imperativ: Handel so, dass das, was du tust zu einer allgemeinen Handlungsanweisung gemacht werden kann. Oder sprichwörtlich: was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen tu. Oder biblisch: Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ Es ist ganz einfach.
Für diese Woche wünsche ich euch: habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.