Impuls für die Woche 23.11.2022

Am Sonntag hat die Fußball-WM begonnen. Endlich sagen viele, doch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Für die einen ist endlich wieder WM. Für die anderen hört dann endlich die Diskussion auf, ob der Spielort Katar moralisch zu verantworten ist aufgrund der Menschenrechtsbedingungen dort. Die dritten sind dann irgendwann endlich aus ihrem moralischen Dilemma befreit, die WM schauen zu wollen, doch bei Katar kein gutes Gefühl zu haben. Und die vierten boykottieren die WM aus unterschiedlichen Gründen.

Das soll jeder so halten wie er oder sie das will. Die WM findet statt, egal, wie wir uns entscheiden. Und am Ende wird es einen Weltmeister geben. Wahrscheinlich wird irgendjemand irgendwas an diesem Weltmeister finden, was den Erfolg schmälert. Schließlich findet die WM im Winter statt, das Endspiel kurz vor Weihnachten. Das gab es ja noch nie. Und dann auch noch in einem Land, mit dem wir so unsere Schwierigkeiten haben. Natürlich nicht, wenn es darum geht, ob wir evtl. Gas aus Katar beziehen könnten oder beispielsweise Autos fahren, an deren Hersteller das Land Katar beteiligt ist.

Ich gebe zu, der westliche Wertekompass nervt mich zunehmend. Wir räumen lieber fremde Häuser auf, statt vor der eigenen Haustür zu kehren. Wir verurteilen die Haltung katarischer Offizieller zur Homosexualität, schaffen es jedoch nicht, in einer Gesellschaft zu leben, in der sich Bundesligafußballer und in deren Folge auch die niedrigerer Spielklassen zu ihrer Homosexualität bekennen können, wenn sie es denn wollen. Es reicht halt nur für ein paar Sprüche auf den Bannern der Ultras in den Kurven. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es immer noch eine Rolle spielt, wer wen aus welchen Gründen lebt.

Nehme ich die Worte Jesu ernst, dann kann ich dem so nicht folgen. Ich brauche da gar keine speziellen Bibelverse zu zitieren. Es geht mir um die Gesamtbotschaft Jesu. Die ist und war dem Menschen zugewandt. Für ihn war die Haltung wichtig. Er hat Menschen angenommen, nicht abgelehnt. Mir ist es zu einfach, mich auf einen Schemel zu stellen und mich so über Menschen zu erheben, die andere Werte teilen als ich. Denn sind wir mal ehrlich: vor 200 Jahren haben wir uns in Europa noch aus Glaubensgründen die Köpfe eingeschlagen. Die französische Revolution war eine kriegerische Auseinandersetzung, in der man sich unter anderem aus der Umklammerung durch die katholische Kirche befreit hat. Missionare haben noch im letzten Jahrhundert versucht, anderen mit mehr oder weniger Gewalt ihren Glauben aufzuzwingen.

Mit der Botschaft der Befreiung durch das Evangelium von der Sklaverei des Gesetzes hat das wenig zu tun. Vielleicht kann die WM ein Anstoss sein, darüber nach zu denken, wie wir miteinander umgehen wollen auf dieser Welt. Ausgrenzung ist kein guter Weg, Veränderungen herbei zu führen. Wenn ich jemanden in die Ecke stelle, werde ich höchsten noch mehr Widerstand ernten. Nein, wir tun gut daran, anderen Ländern dieser Welt die Chancen zu geben, die wir auch hatten. Nachhaltig zu lernen, was Freiheit bedeutet und diese Freiheit zu verteidigen. Veränderung, die nachhaltig sein soll, beginnt von innen. Wie im Iran gerade. Sie kann nicht von außen aufgezwungen werden. Viel sinnvoller, als ein Boykott und übrigens auch viel gefährlicher für eine Nation, ist, wenn man eine Gesellschaft mit Werten unterwandert. Tragisch, dass wir vor dieser Unterwanderung zwar Angst haben und rechtsradikale Kräfte fürchten, die genau das tun, den langen Atem jedoch selber nicht haben, sondern lieber die Abkürzung nehmen. Wir wissen also um die macht der Unterwanderung. Gleichzeitig sind wir so überzeugt von unseren Werten, dass andere sofort davon überzeugt sein müssten. Mitnichten.

Beten wir, dass Freiheit, Toleranz und Friedfertigkeit die Oberhand behalten werden. Überall auf der Welt und jenseits aller Weltmeisterschaften. Die WM ist nämlich vor allem eines: ein sportlicher Wettkampf.

Der Weg dahin, dürfte allerdings noch ein weiter sein.

Für heute wünsche ich euch: habt’s Zuversicht und bleibst gesund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.