Heute geht es um einen Satz, der mir in den letzten Tagen wichtig geworden ist. Ich bin so ein Mensch, der sich oft denkt: eigentlich müsste ich…da liege ich im Garten und denke mir: hm die Taufe ist noch nicht fertig, eigentlich müsste ich…oder diese email wartet noch auf eine Antwort. Vor ein paar Wochen ist mir dazu ein Satz begegnet, den ich ebenfalls kenne und den ich neu gelesen habe: einen Scheiß muss ich. Das hab ich ein paar Wochen mit mir herum getragen. Dann kam der Kirchentag mit seinem Motto „Jetzt ist die Zeit“. In diesem Satz steckt viel Dynamik. Jetzt ist die Zeit für Veränderung, denn wir leben ja in einer Zeitenwende, so heißt es immer. Doch ist das so? In dem Satz steckt nämlich so viel mehr.
Jetzt ist die Zeit auszuruhen. Jetzt ist die Zeit zurück zu stecken. Jetzt ist die Zeit inne zu halten. Dieser Satz will gestaltet werden und darin gibt er Freiheit. Verkürzen wir ihn auf die Aufbruchsstimmung – wenn es denn eine gibt – dann nehmen wir ihm seinen Reichtum. Und darin ist er mir wertvoll geworden. Jetzt ist die Zeit stammt aus dem Markusevangelium. Da heißt es: Nachdem Johannes gefangen genommen worden war, ging Jesus nach Galiläa und verkündete die frohe Botschaft Gottes. Er sprach: „Jetzt ist die Zeit: Gottes gerechte Welt ist nahe. Kehrt um und vertraut der frohen Botschaft!“
Jetzt ist die Zeit, nicht gestern, nicht morgen. Es geht ums heute. Wofür ist jetzt gerade die Zeit? Mir taugt der Satz vor allem deshalb besser, weil in dem Satz „Einen Scheiß muss ich“ Widerstand steckt. Ich wehre mich gegen etwas. Während ich mit dem Gedanken „Jetzt ist die Zeit“ mir die Freiheit nehme, zu entscheiden, wofür gerade die Zeit ist. Zum zurücklehnen und ausruhen oder zum durchpowern? Beides hat seine Berechtigung. Wenn eines davon die Überhand gewinnt, und das ist ja oft beim Durchpowern der Fall, dann kommen wir in eine Schieflage.
Und es gibt noch eine zweite Botschaft: Jetzt ist die Zeit, Gottes gerechte Welt ist nahe. Mir macht das Mut. So oft erleben wir die Welt als ungerecht. Wird es im Rammstein-Skandal Recht gegen für die Frauen und auch für die Band bzw. Till Lindemann? Jetzt ist die Zeit…angeblich erleben wir eine Zeitenwende. Vielleicht sind wir es auch nur nicht gewohnt, dass sich die Dinge so schnell und manchmal radikal verändern wie sie es derzeit tun. Vielleicht liegt das daran, dass unser System eben jetzt beginnt, nicht mehr zu funktionieren. Und es bröckelt dann nicht mal hier und mal da, nein es läuft Gefahr an allen Ecken und ende zu explodieren. Ob das eine Zeitenwende ist? Ich habe da so meine Zweifel.
Dennoch: jetzt ist die Zeit. Wofür ist bei euch jetzt die Zeit? Was steht bei euch an, was wollt ihr angehen? Was soll sich verändern? Welche Gelegenheit wollt ihr beim Schopf packen? Wofür ist jetzt der richtige Augenblikck?
Wenn man am Strand im rechten Moment für den perfekten Sonnenuntergang da ist und keine Wolke die Sonne verhüllt. Wenn jemand beim Bewerbungsgespräch ganz plötzlich etwas sagt, was das Auswahlgremium unerwartet für ihn gewinnt. Geburten. Oder der erste Kuss einer jungen Liebe. Oder eine plötzlich super Idee in einer vertrackten Situation. Momente, wie bei Momo in Michael Endes Roman, wenn sie es geschafft hat, die alten Freunde wenigstens kurz mit Blicken, Fragen, Berührungen herauszuholen aus der Zeitnot. Momente die es zu sammeln gilt, wie das Werner Schmidbauer in seinem Song „Momentsammler“ singt.
Jetzt ist der Zeit, das ist der Moment, in dem die Zeit still zu stehen scheint und wir etwas verstehen. Oder in dem wir inne halten und Kraft tanken.
Sammelt solche Momente, fangt den Kairos, den rechten Moment ein, denn jetzt ist die Zeit. Jetzt ist deine Zeit. Nutze sie für dich.
Für die kommende Woche…