Vor einer Woche war Erwin Pelzig beim Rödentaler Sommer auf der Bühne. Wer ihn kennt, weiß, dass er gewohnt bissig das Zeitgeschehen kommentiert. Das hat er auch in Rödental getan. Am Ende kam er nach Zugabe-Rufen auf die Bühne zurück und meinte: bei mir gibt es keine Zugaben, das hab ich noch nie gemacht. Ich hätte aber eine Ergänzung.
Und die hatte es in sich. Denn er ging ganz leise und ruhig auf ein Thema an, von dem er der Meinung ist, dass es uns in der Zukunft als einzige Chance noch bleibt: die Freundlichkeit. Ich finde das eine starke Botschaft, die so banal klingt. Doch ich ahne, dass es in Zukunft die banalen Dinge sind, die wichtig werden. Und die werden sich als gar nicht so banal herausstellen.
Denn Freundlichkeit stellt an uns alle Anfragen, auch an uns als Kirche. Wie freundlich sind wir denn wirklich? Und was ist Freundlichkeit? Und was gehärt zur Freundlichkeit? In der Philosophie ist es die Mitte zwischen dem, der allen gefallen will und dem, der ständig Streit sucht. Aritoteles schreibt: „Der Freundliche begegnet seinem Gegenüber liebenswürdig und bringt ihm das Interesse entgegen, das ihm gebührt. Er nimmt Rücksicht auf andere und versucht sich so zu benehmen, dass niemand Anstoß an ihm nimmt. Im allgemeinen also gilt, wie gesagt, dass er im Verkehr sich auf die rechte Art verhalten wird.““
Damit ist alles gesagt. Rücksicht nehmen, also anderen die eigene Meinung nicht einfach ironisch oder respektlos um die Ohren hauen. Da merke ich wieder, wie wichtig, das grade auf social media ist. Diese Sache ist auch das Zentrum der Botschaft Jesu. Jesus hat das anders formuliert: liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und damit hat er einen besonderen Kniff noch mit hinein gelegt. Freundlichkeit geht nicht nur mein Gegenüber an. Es geht auch mich selbst an. Ich soll freundlich zu mir selber sein. Freundlich zu mir selber sein heißt dann: was brauche ich, damit es mir gut geht und damit ich das bin, was ich unter glücklich verstehe? Wenn ich weiß, was ich brauche, dann ist die Frage, wie ich das bekomme. Sich darüber Gedanken zu machen, damit wäre schon viel gewonnen. Denn wir alles haben oft anderes gelernt. Kleine Beispiel: den eigenen Willen haben wir verhöflicht, indem aus einem „ich will bitte“ ein „ich möchte bitte“ geworden ist. Angeblich ist das höflicher, im Konjunktiv zu reden. In Wahrheit machen wir uns selbst damit klein. Und das hat mit Freundlichkeit und Respekt nichts zu tun. An Kindern sehen wir das: der Urinstinkt ist, dass ein Kind kommt und sagt: Ich will noch aufbleiben. Erst unser Eingreifen macht daraus aus: ich möchte bitte noch aufbleiben. Wir wird der erste Satz höflich? Durch das „bitte“. Der Konjunktiv mag die Höflichkeitsform sein. Doch eine Bitte ist keine Frage, eine Bitte ist eine Bitte. „Kann ich bitte noch ein Bier haben“ ist keine höfliche Bitte, das ist eine Frage. Manche schieben noch nach: wenn es keine Umstände macht. Ja will ich jetzt ein Bier oder will ich keines? Oder will ich nur eines, wenn es keine Umtände macht?
Ich kann freundlich sein, ohne dass ich mich verstecken muss. Ich kann freundlich sein und das erreichen, was ich will, ohne das sich dabei jemand überrumpelt fühlen muss und ohne, dass ich mich bis zur Unkenntlichkeit klein mache. Wenn wir gesehen werden wollen, dann müssen wir uns auch zeigen. Das beginnt in unserer Art zu sprechen.
Die Freundlichkeit beginnt also im eigenen Kopf. Ich bin freundlich zu mir und überlege mir, was ich will. Ich bin freundlich zu anderen, in dem ich freundlich und doch klar sage, was ich meine und will. Es liegt dann an der Freundlichkeit der andere, wie das Gespräch weiter geht.
Der Sommer ist eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken. Seid freundlich zu einander. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
In diesem Sinn wünsche ich euch einen schönen Sommer. Habts Zuversicht und bleibts gesund und dann sehen wir und Ende August wieder.