11. Türchen des digitalen Adventskalenders

Warten auf den Retter, auf den Befreier, auf den Erlöser! Auf den, der uns von unserem Leid erlöst, wie auch immer das aussieht. Streit in der Familie nach einer Trennung. Angst um den Arbeitsplatz. Angst vor der Zukunft.
In der Bibel wird von Zacharias erzählt. Zacharias ist sich sicher, dass dieses Warten nun ein Ende hat. Der Erlöser ist da! Endlich. Lange hat sein Volk auf ihn gewartet, ist viele Wege gegangen. Darunter waren auch Wege, die in die Irre führten. Doch nun ist der Moment gekommen, der einlöst, was seit Zeiten schon versprochen war. Denn: “Aus dem Haus seines Dieners David hat er für uns einen starken Retter hervorgehen lassen …” So ein starken Retter – das wäre doch was. Einer, der alles wegwischt, was uns nervt, stört und das Leben schwer macht. Einer, der unsere Einsamkeit beseitigt, unsere Traurigkeit, all die Schwere in unserem Leben.

Eine ganz neue Bedeutung bekamen für mich die Worte, die Zacharias spricht, als am vergangenen Montag dem Kniefall Willy Brandts in Warschau gedacht wurde. Das war an diesem Tag genau 50 Jahre her. Vor diesem Besuch des ehemaligen Bundeskanzlers gab es keine diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Da waren immer noch deutlich die Nachwehen des 2. Weltkrieges zu spüren. Die tiefen Wunden, die die Gräueltaten hinterlassen hatten,, schmerzten noch. Viele Polen sahen in den Deutschen immer noch die Feinde, die ihr Land als erstes überfallen hatten und damit einen Weltenbrand entfachten. Und schließlich erinnerte man sich an das Warschauer Ghetto, neben den Konzentrationslagern der Inbegriff des Holocausts. Neben all den anderen Orten war dies einer, der die Sünden eines ganzen Volkes offenbarte. Nachdem Brandt am Grabmahl des unbekannten Soldaten einen Kranz niedergelegt hatte, tat er dies auch am Ghetto-Ehrenmal. Doch er hat es nicht dabei belassen, die Schleifen zu richten. Er kniete nieder, die Hände gefaltet. Das Foto dieser Geste hat damals Menschen in der ganzen Welt erreicht. Wir können uns heute vielleicht nicht mehr vorstellen, was diese Geste für das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen, für die gesamte Nahostpolitik bedeutet hat.
“DER SPIEGEL” schreibt eine Woche später: „Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.“ Wenn wir diese Worte etwas verändern, erinnern sie uns an ein anderes Ereignis, das vor 2000 Jahren die Welt veränderte: „Dann hängt er, der das nicht nötig hat, da am Kreuz für alle, die es nötig haben, aber nicht da hängen – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann hängt er da für … dich und mich.“

Es geht um Versöhnung. Versöhnung mit uns selbst, mit unserer Geschichte, mit dem, der wir geworden sind. Versöhnung damit, dass wir sind, wie wir sind: von Gott geliebte Geschöpfe. Die Weihnachtsbotschaft lautet: ich liebe Dich, du bist gut genauso wie du bist. Du hast von mir so viel mit ins Leben bekommen. Mach was draus, lass dir von keinem erzählen, du wärst nichts wert. Nein, du bist geliebt, wertgeschätzt, wertvoll.
Das ist die Hoffnung, die Gott für uns bereit hält und die mehr in unserem Leben und in dieser Welt verändern kann als alles andere.