Impuls für die Woche 19.05.2021

„Ich kann es nicht mehr hören. Ständig durchhalten, durchatmen. Es hält sich doch niemand mehr an irgendwas“ So klagte mir jemand vergangene Woche sein Leid.
Einen Tag später konnte ich das gut nachvollziehen, denn mir erging es auf einmal genauso. Ich hörte einen Song zum Motto des 3. ökumenischen Kirchentages. Der fand vergangene Woche in Frankfurt und vielen anderen Orten größtenteils digital statt. Dort heißt es in einer Liedzeile: „weil so vieles im Argen liegt, braucht es ein Wort, das alle hält“. Das hat mich wütend gemacht. Unser Glaube ist soviel mehr als sich ständig an dem zu orientieren, was schief läuft, was im Argen liegt. Ja das Leben ist kompliziert, ja es gibt viel Leid, ja wir erleben das Tag für Tag. Und auch mir gelingt es zu selten, das zu sehen, was gut ist, was gelingt.

Dann denke ich an Jesus. Er sagt zum gelähmten: „Steh auf und geh, dein Glaube hat dir geholfen“. Er nimmt die Frau, die von allen gesteinigt werden sollte an, die Hand und richtet sie auf. Gott spricht zu Jona, der missmutig unter einem Baum hockt und frustriert ist. Er hat nicht bekommen, was er wollte. Ninive wurde von Gott verschont. Er richtet ihn auf. Bei Gott und Jesus wird nicht lamentiert. Da werden Perspektiven eröffnet. Wieso gelingt uns das so selten? Wieso sind wir groß darin, den Blick auf das zu lenken, was alles passieren könnte, statt das Leben geschehen zu lassen.
Die Antwort scheint mir auf der Hand zu liegen: Leben, das geschieht, Leben das ereignet, entgleitet unserer Kontrolle. Wir müssten loslassen. Zuschauen, was passiert. Kontrolle jedoch gibt Sicherheit. Ich denke, wir stehen uns oft selbst im Weg. Gleichzeitig ist es menschlich und zutiefst gesund, Kontrolle und damit Sicherheit zu wollen und zu haben.
Der offizielle Mottosong des Kirchentages ist ein anderer, als der, den ich zunächst gefunden habe. Eine Gruppe tanzender Menschen singt vom Hinschauen. Da heißt es im Refrain: „Schaut hin. Seht nach. Blickt durch. Mit offenen Augen. Schaut hin. Denkt nach. Geht los. Mit offenen Armen.

Da finde ich das wieder, was ich am christlichen Glauben faszinierend finde. Da finde ich wieder, was mich als 14-jährigen Jungen im Zeltlager so fasziniert hat. Das strahlt aus. Da war jemand, der hatte etwas, das ich vermisst habe und auch wollte. Ich habe es im Glauben gefunden. Und das erinnert mich immer wieder daran, den Blick hin zu lenken zu dem, was gut ist. Das gibt es ja. Es wäre unredlich, so zu tun, als wäre das Leben immer nur rosarot und wundervoll. Genauso unredlich ist es jedoch, immer nur das halbleere Glas zu sehen. Ich kann auf das schauen, was alles im Argen liegt. Oder ich kann das in den Mittelpunkt stellen, was gelingt. Ich kann die Schwächen meiner Kinder hervorkehren, oder ihre Stärken. Ich kann mit ihnen an ihren Schwächen arbeiten oder sie in ihren Stärken bestärken.

Ich will mich an dem orientieren, was Chancen bietet. Ich will mich auf das konzentrieren, was gelingt. Und daraus Kraft schöpfen.
Das ist manchmal verdammt schwer. Gerade in Coronazeiten. Und da fasse ich mich dann an die eigene Nase. Im Bestreben, dass alles so schnell wie möglich vergehen möge, schaue ich auch zu viel auf das, was besser laufen könnte. Da ist vieles schlecht gelaufen. Da läuft nach wie vor vieles daneben. Doch es geht voran. Es gibt Hoffnung.
Lasst uns uns auf die Hoffnung konzentrieren. Lasst uns das sehen, was gelingt, was gibt ist, womit wir schon arbeiten und leben können. Vieles ist schon da, woran wir uns freuen können. Das zu sehen, und uns daran zu freuen, das ist die Herausforderung.
Also, Schaut hin. Seht nach. Blickt durch. Mit offenen Augen. Schaut hin. Denkt nach. Geht los. Mit offenen Armen.

Für die kommende Woche wünsche ich euch: habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche, für die kommende sorgen wir später.

Impuls für die Woche 12.05.2021

Wir bleiben zu Hause, so hieß es letztes Jahr um diese Zeit immer und immer wieder. Mit der Zeit haben wir gemerkt, dass das kein Spaß ist, immer nur zu Hause zu bleiben. Der Spaziergang um den See oder im Wald wurde plötzlich ein Highlight. Viel mehr ging ja kaum. Wir haben mit der Zeit wieder neu zu schätzen gelernt, dass die Gemeinschaft mit anderen sehr wertvoll ist. Als es dann wieder nach draußen ging, mit anderen zusammen, haben viele von uns tief durchgeatmet und das Leben ins sich gespürt.
Tief durchatmen tut gut. Gerade im freien tut es gut. Es beruhigt die Nerven, es hilft dem Körper zu regenerieren, baut Stress ab.
Es gibt einen Film, der heißt „Tief durchatmen, die Familie kommt“. Die Handlung dieser Weihnachtskomödie ist schnell erzählt. Die Familie kommt an Weihnachten zusammen. Die treusorgende Ehefrau will alles perfekt machen, der Bruder will allen zeigen, wie erfolgreich er als Autor ist, obwohl er überschuldet ist. Der Film spielt mit allen möglichen Klischees und Überzeichnungen. Das macht ihn so lustig. So wird erträglich, was bei näherem Hinsehen vielleicht gar nicht so überzeichnet ist. Natürlich geht alles gründlich schief. Da hilft nur eines, um nicht auszurasten: tief durchatmen.

Wenn wir tief durchatmen, füllen sich Leib und Seele mit Gottes Lebenskraft, die in der Bibel mit Odem – Atem bezeichnet wird.
Gott will das Leben in uns. Und das Leben? Das Leben will raus, es will ans Licht, an die Luft.

In diesen Wochen sagen wir gerne: es geht wieder nauswärts.
Überall blüht es. Das Vogelgezwitscher wird lauter, reichhaltiger. Das ist Leben. Und das zeigt mir, dass Leben mehr ist als all die Einschränkungen, die von außen auf uns einwirken. Wahres Leben ist das, was sich in uns abspielt. Und darauf haben wir selbst Einfluss.
Es gibt Tage, da will ich einfach raus. Barfuß über die Wiese. Auf den Golfplatz, den Wind und die Ruhe spüren. In den Wald, die Bäume riechen und die Vögel hören. Es gibt Tage, da liegt es in der Luft: Gott macht es grandios. Geist des Lebens, Geist der Auferstehung, wie er im Buche steht.

Die Einschränkungen mögen notwendig sein und im wahrsten Wortsinn Not wenden. Dass sie uns innerlich einschränken, das können wir verhindern. Zum Beispiel, indem wir tief einatmen und es hinaus singen: Gott liebt das Leben. Und das Leben will raus.
Wenn ihr euch also gestresst fühlt, egal warum, dann atmet mehrmals tief ein und aus. Ich finde, das hilft. Und es tut gut.

Für die kommende Woche wünsche ich euch: habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.

Träge der liebe Gott auch Gummistiefel?

Trägt der liebe Gott auch Gummistiefel? So lautet der Titel eines Buches, in dem 44 Kinderfragen über Gott beantwortet werden auf kindgerechte Art und Weise. Eine dieser Fragen lautet: wo wohnt der liebe Gott? Kinder kennen die Antwort auf diese Frage in der Regel ganz genau. Gott wohnt im Himmel. Oben, über den Wolken, über den Sternen , da wohnt Gott. Von da hat er einen guten Überblick über die ganze Welt. Von da kann Gott alles sehen. Sogar in unsere Herzen.
Ich mag diese kindliche Sichtweise der Dinge. Sie ist so unschuldig, so wenig durch Enttäuschung und das Leben beeinflusst. Wenn wir erwachsen werden, dann verändert sich unsere Sichtweise. Die Antwort fällt weit weniger eindeutig aus. Die Frage, wo Gott wohnt verändert sich. Sie wird zur Frage nach unseren Erfahrungen mit Gott.

Sheldon in der Serie „Young Sheldon” beantwortet die Frage für sich ganz eindeutig: „Ich glaube nicht an Gott. Es gibt ihn nicht.“ Also wohnt er auch nirgends.
Im letzten Sommer war ich mit meinen Kindern an der Nordsee. Sehr gern bin ich abends nochmal an den Deich gegangen und habe mich hingesetzt. Ich habe den Wind gespürt, das Wasser an meinen Füßen. Die Sonne ist langsam unter gegangen, doch ihr Glanz hat den Himmel wie ein goldenes Gewölbe erstrahlen lassen. In mir ist es ganz still geworden. Es war friedlich, ruhig, einfach entspannt.
In mir w das Gefühl stark, getragen zu sein, umgeben zu sein von diesem goldenen Gewölbe. Umgeben und getragen von Gott.

Dieses Gefühl spüre ich oft noch, wenn es um mich herum wild und stürmisch ist. Diese Ruhe des Meeres. Natürlich, das Meer kann auch anders. Doch an diesen Tagen im Urlaub war es ein Ruhepol. Es hat Frieden geschenkt. Und ich merke: der Himmel, das ist mehr als das Gewölbe über uns. Der Himmel, wo Gott wohnt, das ist ein Gefühl, weniger ein Ort. Es ist das Gefühl, von ihm getragen und umgeben zu sein.
Wo wohnt Gott? Als Erwachsener verstehe ich die Frage der Kinder und deren Antwort. Und gleichzeitig ist mir wichtig, dass Gott eben woanders als im Himmel wohnt, dass uns nahe ist. Insofern: wohnt Gott überhaupt irgendwo? Oder ist er nicht vielmehr überall? Dort, wo ich ihn gerade brauche? Oder auch dort, wo ich ihn gerade nicht brauche, es jedoch schön ist, dass er trotzdem da ist? Dass ich mich auch dann begleitet fühlen darf, wenn es ruhig und friedlich ist?
Ich finde, dass ist gerade das Schöne am Glauben: er ist an Beständigkeit orientiert. Natürlich, gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir Gott mehr, wenden wir uns mehr an ihn. Und gerade dann ist Gott da. Doch er ist auch dann da, wenn es ruhig ist. Er geht einfach mit. Und er nimmt es hin, dass wir ihn in den guten Zeiten vielleicht weniger beachten. Er bleibt bei uns.
Mir gibt das Mut und Kraft. Euch auch?

Für die kommende Woche wünsche ich euch: habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.